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25.02.2022: Verwaltungsgerichtshof (VwGH) – Einordnung einer Liegenschaftsübertragung gegen Ausgleichszahlungen

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat per 16.11.2021 entschieden, dass die gesetzliche Regelung im Einkommensteuergesetz zu „Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben“ nicht zur Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit herangezogen werden darf und ein entgeltliches Rechtsgeschäft dann anzunehmen ist, wenn der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25 % vom Wert des übertragenen Wirtschaftsguts abweicht. Lesen Sie mehr…

Zugrunde liegender Sachverhalt des VwGH-Urteils

Der Revisionswerber und seine Gattin übertrugen im Oktober 2016 ein jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum stehendes Wohnhaus mit einem Verkehrswert von EUR 840.000,- an die gemeinsame Tochter. Im Gegenzug räumte die Tochter den Eltern ein Wohnungsgebrauchsrecht, ein Fruchtgenussrecht am Garten sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot ein und verpflichtete sich überdies zu Ausgleichzahlungen an ihre drei (erbberechtigen) Geschwister in Höhe von jeweils EUR 211.000,-.

Nach der Ansicht der Finanzverwaltung lag keine vorweggenommene Erbfolge, sondern ein entgeltliches Rechtsgeschäft vor, weil die Übernehmerin aus eigenen Mitteln mehr als die Hälfte des Wertes der an sie übertragenen Liegenschaft an von ihren Eltern bestimmte Personen zu erbringen hatte. Die im Zuge dessen ergangene Festsetzung der Immobilienertragsteuer (ImmoESt.) mit EUR 20.000,- bekämpfte der Revisionswerber mit Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

In seinem Erkenntnis kam das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass mangels eines offenbaren bzw. krassen Wertmissverhältnisses der gemeinen Werte der Leistung und Gegenleistung keine unentgeltliche, gemischte Schenkung vorliege. Zur Feststellung der Entgeltlichkeit sei aus dem Einkommensteuergesetz zu „Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben“ abzuleiten, dass der Wert der Gegenleistung zumindest 50 % des Werts des übertragenen Wirtschaftsguts betragen müsse. Es liege im vorliegenden Fall kein offenkundiges Wertmissverhältnis vor, weil die zu leistenden Ausgleichszahlungen 75 % des Verkehrswerts der Liegenschaft betragen, wodurch die Einstufung als unentgeltliche, gemischte Schenkung nicht gerechtfertigt sei. Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde jedoch teilweise statt, weil dem Revisionswerber die Einkünfte aus der Liegenschaftsübertragung nur zur Hälfte zuständen und kürzte die zu entrichtende ImmoESt. entsprechend. Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof.

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof

Zunächst führt der VwGH aus, dass durch die mit dem Steuerreformgesetz 2000 vorgenommene Ergänzung des Einkommensteuergesetzes zu „Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben“ der Typus der außerbetrieblichen Versorgungsrente auf die Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteile eingeschränkt werden sollte.

Hingegen liegt keine Versorgungsrenten vor, wenn das erworbene Einzelwirtschaftsgut nicht der Einkünfteerzielung dient, um so eine Verlagerung der Steuerlast vom Rentenzahler auf den Rentenempfänger zu verhindern. Daher traf der Gesetzgeber für Rentengeschäfte die Bestimmung, dass dann ein Versorgungs- und Unterhaltscharakter angenommen werden kann, wenn der Rentenwert in einem besonderen Ausmaß vom Wert des übergebenen Wirtschaftsguts abweicht. In diesen Fällen sollen Rentenzahlungen oder auch nur Bestandteile davon nicht abzugsfähig sein. Jedoch kann das Einkommensteuergesetz zu „Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben“ nicht für andere Zwecke, wie zur vom Bundesfinanzgericht vorgenommenen Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit, herangezogen werden.

Ein unentgeltlicher Erwerb ist auch bei gemischten Schenkungen anzunehmen, wenn dem gemischten Vertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft mit einer klar im Vordergrund stehenden entgeltlichen Komponente zugrunde liegt. Die Unentgeltlichkeit der Liegenschaftsübertragung hängt damit vom Hauptzweck und Gesamtcharakter des Rechtsgeschäftes ab. Ein entgeltliches Rechtsgeschäft ist anzunehmen, wenn der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25 % vom Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts abweicht. In diesem Fall erreichen die Ausgleichszahlungen an die Geschwister 75 % des Verkehrswerts der Liegenschaft und es bestehen keine Umstände, die einen unentgeltlichen Gesamtcharakter nahelegen.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hatte die Übernehmerin der Liegenschaft mit diesen Zahlungen eine Leistung an ihre Eltern erbracht. Deshalb ist die Liegenschaftsübertragung aufgrund der deutlich im Vordergrund stehenden entgeltlichen Bestandteile als Veräußerung im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu „Private Grundstücksveräußerungen“ einzustufen. Folglich wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision als unbegründet ab.

Conclusio

Nach der Einheitlichkeitstheorie sind gemischte Schenkungen anhand des objektiven Wertmissverhältnisses und der subjektiven Bereicherungsabsicht im Hinblick auf ihre Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit zu beurteilen. Ausgleichszahlungen durch den Übernehmer an andere Erbberechtigte im Gegenzug für eine Liegenschaftsübertragung gelten unzweifelhaft als Leistungen an den Übergeber.

Aus dem Einkommensteuergesetz zu „Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben“ leitete die Finanzverwaltung bislang ab, dass unter Berücksichtigung des Gesamtcharakters des Rechtsgeschäfts, dann ein entgeltlicher Erwerb angenommen werden kann, wenn der Wert der Gegenleistung zumindest 50 % des Werts der hingegebenen Leistung erreicht (siehe Rz 6625 der Einkommensteuerrichtlinien).

Nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs soll die Abweichung des Werts von Leistung und Gegenleistung nicht mehr als 25 % betragen dürfen. Bereits in der Vergangenheit wurde in der Literatur vertreten, dass keine 50 %-Grenze zur Beurteilung der Entgeltlichkeit eines Rechtsgeschäfts aus dem Einkommensteuergesetz zu „Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben“ abgeleitet werden darf, weil sich diese Norm ausschließlich auf das Abzugsverbot bei Renten bezieht.

Fazit

  • Weicht der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25% vom Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts ab, ist in der Regel von einem einheitlichen, entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen. Andernfalls ist bei Übertragungen zwischen Angehörigen grundsätzlich von einer (zumindest teilweisen) Schenkungsabsicht auszugehen.
  • Obgleich sich für den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt keine geänderte Beurteilung ergab, sind diesen Ausführungen für andere Verfahren maßgebliche Bedeutung beizumessen. Sofern die Gegenleistung bei Grundstücksübertragungen zwischen Familienangehörigen beispielsweise nur 50 % oder 2/3 des Verkehrswerts beträgt, ist mit dem Verwaltungsgerichtshof nunmehr von einem unentgeltlichen – und somit keinem steuerpflichtigen – Vorgang auszugehen!
  • Sollte bereits ImmoESt. für eine Liegenschaftsübertragung entrichtet worden sein, für die nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Steuerpflicht besteht, besteht im Fall der Selbstberechnung die Möglichkeit einer Korrektur im Veranlagungsweg binnen fünf Jahren ab Ende des Veranlagungszeitraums (Kalenderjahres), in dem die Liegenschaft übertragen wurde. Sofern bereits eine Veranlagung erfolgt ist, sollte es möglich sein, einen Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheids gemäß § 299 BAO innerhalb eines Jahres ab Bescheidzustellung zu stellen.

 

Quelle bzw. weiterführende Informationen finden Sie unter:

LexisNexis, Lexis360, Rechtsnews vom 18.02.2022

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Vwgh&Entscheidungsart=Erkenntnis&Sammlungsnummer=&Index=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True&GZ=Ro+2020%2f15%2f0015&VonDatum=&BisDatum=&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=50&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=b562224d-06ba-4c76-be48-2ad0e5ecf538&Dokumentnummer=JWT_2020150015_20211116J00

 

Obige Ausführungen stellen allgemeine Informationen zum Thema des jeweiligen Newsletters dar (Ausführungen ohne Gewähr) und können deshalb ein persönliches Beratungsgespräch keinesfalls ersetzen. Zögern Sie deswegen nicht uns bei Fragen oder Unklarheiten zu kontaktieren! Ihr Team der Steuerberatung Illmer und Partner – Die kompetente Beratung in Landeck.

Stand: 25.02.2022

 

Artikel der Ausgabe Winter 2021

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