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15.07.2022: An mehrere Arbeitnehmer überlassene Dienstwohnung: Steuerfreiheit bei arbeitsplatznaher Unterkunft und Aufteilung des Sachbezugs

Wird Wohnraum mehreren Arbeitnehmern kostenlos zur Verfügung gestellt, so kommt es für die Frage, ob der Sachbezug aus der Überlassung von arbeitsplatznahem Wohnraum jeweils steuerfrei ist, auf die den einzelnen Arbeitnehmern jeweils eingeräumte Nutzungsmöglichkeit an: Die Wohnraumfläche, die einem Arbeitnehmer zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt wird, ist auch nur alleine bei diesem Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Wohnraumflächen, die mehreren Arbeitnehmern zur gemeinschaftlichen Nutzung überlassen werden, sind jedem der betreffenden Arbeitnehmer zur Gänze zuzurechnen. Lesen Sie mehr…

Rechtsgrundlagen

Die Sachbezugswerteverordnung lautet: „Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kostenlos oder verbilligt eine arbeitsplatznahe Unterkunft (Wohnung, Appartement, Zimmer), die nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet, gilt Folgendes:

  1. Bis zu einer Größe von 30 m² ist kein Sachbezug anzusetzen.
  2. Bei einer Größe von mehr als 30 m² aber nicht mehr als 40 m² ist der Wert um 35 % zu vermindern, wenn die arbeitsplatznahe Unterkunft durchgehend höchstens 12 Monate vom selben Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.“

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hatte nun erstmals für den Fall einer mehreren Arbeitnehmern zur Nutzung überlassenen arbeitsplatznahen Wohnung zu beurteilen, in welchem Ausmaß die einem der betroffenen Arbeitnehmer zuzurechnende Wohnraumfläche zu bemessen ist (VwGH 14.12.2021, Ra 2017/08/0039).

Nur wenn diese Fläche 30 m² nicht überschreitet, braucht kein Sachbezug angesetzt zu werden; überschreitet sie zwar 30 m², aber nicht 40 m², ist der zu berechnende Sachbezugswert um 35 % zu vermindern.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Arbeitgeber, der ein Gastgewerbe betrieb, im Obergeschoss desselben Hauses eine Wohnung von 97 m² gemietet. In dieser Wohnung wurde jedem der vier Arbeitnehmer unentgeltlich jeweils ein Schlafzimmer im Ausmaß von etwa 15 m² zur alleinigen Benutzung überlassen; zusätzlich war es allen vier Arbeitnehmern erlaubt, alle Gemeinschaftsräume (z.B. Küche, Bad, WC, Diele, Vorräume; gemeinsam etwa 36 m²) mitzubenutzen.

Ansicht der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung zeichnet in den Lohnsteuerrichtlinien einen klaren Weg für die Ermittlung des den einzelnen Arbeitnehmern zuzurechnenden Sachbezugswertes in einem derartigen Sachverhalt vor: „Zwei Arbeitnehmern im Gastgewerbe wird eine arbeitsplatznahe Unterkunft (45 m²) kostenlos zur Verfügung gestellt. Beide Arbeitnehmer verfügen jeweils über ein eigenes Schlafzimmer (Größe jeweils 16 m²). Die übrige Wohnfläche (13 m²) steht beiden Arbeitnehmern zur Verfügung. Da jeder Arbeitnehmer über eine Nutzungsmöglichkeit des Wohnraums im Ausmaß von 29 m² verfügt, ist kein Sachbezug bezüglich der Unterkunft zu erfassen.“

Für den dem VwGH-Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhalt bedeutet die Ansicht laut Lohnsteuerrichtlinien, dass die Steuerfreiheit nicht zum Tragen kommt, da jedem der betroffenen Arbeitnehmer eine Fläche von 15 m² (aus dem allein genutzten Wohnraum) plus eine Fläche von 36 m² aus dem gemeinschaftlich genutzten Wohnraum, insgesamt also 51 m² zuzurechnen ist.

Nach anderen Stimmen in der Literatur hingegen soll die gemeinschaftlich genutzte Fläche auf die Arbeitnehmer aliquot aufzuteilen sein (vgl. Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG [19. Lfg, 2017] § 15 Tz 91, unter Hinweis darauf, dass ansonsten die Steuerfreiheit von Massenunterkünften nicht argumentierbar sei). Folgt man dieser Ansicht, so wäre im zugrunde liegenden Sachverhalt kein Sachbezug anzusetzen, da demnach jedem der betroffenen Arbeitnehmer eine Fläche von 15 m² (aus dem allein genutzten Wohnraum) plus 9 m² (= ein Viertel von 36 m²), insgesamt also 24 m², zuzurechnen ist. Letzterer Auffassung war auch der beschwerdeführende Arbeitgeber.

VwGH folgt Ansicht der Finanzverwaltung

Der VwGH kam im Sinne der Lohnsteuerrichtlinien zum Ergebnis, dass die gemeinschaftlich genutzten Wohnflächen den nutzungsberechtigten Arbeitnehmern jeweils zur Gänze zuzurechnen sind. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass sich aufgrund der bloß gemeinsamen statt exklusiven Nutzung keine Schmälerung des Vorteils aus der Nutzung der überlassenen Wohnraumfläche ergäbe: „Die Zuordnung einer gemeinschaftlich genutzten Fläche an jeden mitnutzenden Arbeitnehmer erscheint auch sachgerecht, geht es doch darum, den in der kostenlosen Zurverfügungstellung des Wohnraums gelegenen Vorteil zu erfassen. Dieser Vorteil besteht aber gerade darin, dass jedem Arbeitnehmer die Nutzung der betreffenden Fläche im vollen Ausmaß – also im Umfang der Gesamtfläche und nicht bloß im Umfang einer Teilfläche – ohne jegliche Vorbehalte und Einschränkungen überlassen wurde.

Der Vorteil wird auch nicht etwa durch die Gemeinschaftlichkeit der Nutzung durch mehrere Arbeitnehmer entscheidend geschmälert, können doch Küche, Vorräume, etc. problemlos von den Arbeitnehmern nebeneinander und die Nassräume (Bad, WC) zumindest sukzessive genutzt werden. In der dabei vorauszusetzenden Koordinierung und gegenseitigen Rücksichtnahme durch die Arbeitnehmer kann im Allgemeinen keine ins Gewicht fallende Einschränkung gesehen werden. [...]“

Fazit

Der VwGH hat erstmals entschieden, wie bei der Berechnung des für die Steuerfreiheit maßgeblichen Ausmaßes von 30 m² vorzugehen ist, wenn eine Wohnung mehreren Arbeitnehmern gemeinsam zur Nutzung überlassen wird:

  • Schritt – Überprüfung des dem Arbeitnehmer zuzuordnenden Flächenausmaßes: Jedem Arbeitnehmer sind zum einen die Wohnraumfläche, an der ihm ein alleiniges Nutzungsrecht zukommt, und zum anderen die Flächen, die gemeinschaftlich genutzt werden, zuzurechnen. Ergibt sich auf diese Weise eine zu berücksichtigende Fläche von bis zu 30 m², ist – bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen (Arbeitsplatznähe, kein Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Wohnung) – kein Sachbezug bei dem betroffenen Arbeitnehmer anzusetzen. Wird hingegen die Grenze von 30 m² überschritten, kann die Befreiung nach der Sachbezugswerteverordnung nicht mehr angewendet werden.
  • Schritt, falls zuzuordnendes Flächenausmaß über 30 m² beträgt: Beträgt das dem Arbeitnehmer zuzuordnende Flächenausmaß mehr als 30 m², ist ein Sachbezug anzusetzen.

Der gesamte lohnwerte Vorteil aus dem Sachbezug der Wohnung kann sich aber nicht danach unterscheiden, ob die Wohnung nur von einem Arbeitnehmer oder von mehreren Arbeitnehmern genutzt wird. Er muss unabhängig davon, wie viele Arbeitnehmer die Wohnung nutzen, immer gleich hoch sein. Folglich ist – um eine Mehrfachberücksichtigung des Vorteils aus der Nutzung der gemeinschaftlichen Räume zu vermeiden – eine Aliquotierung des Sachbezugswertes auf die Arbeitnehmer vorzunehmen. Die Berechnung ist also wie folgt:

  • Man berechnet den gesamten Sachbezugswert der Wohnung (entsprechend der Sachbezugswerteverordnung).
  • Man teilt den Sachbezugswert entsprechend den von den Arbeitnehmern jeweils genutzten Flächen auf die einzelnen Arbeitnehmer entsprechend den Nutzungsmöglichkeiten, im Zweifelsfall nach der Anzahl der Arbeitnehmer, auf.

Beispiel 1:

Miete inkl. Hausbetriebskosten der Wohnung insgesamt: EUR 726,-; Nutzung durch zwei Arbeitnehmer, A (20 m²) und B (40 m²), gemeinschaftlich genutzte Räume: 40 m².

Lösung:

  • Schritt 1: Befreiung kommt weder bei A noch bei B zur Anwendung, da das Flächenausmaß jeweils über 30 m² liegt (A: 20 m² + 40 m² = 60 m²; B: 40 m² + 40 m² = 80 m²).
  • Schritt 2: gesamter Sachbezugswert laut Angabe: EUR 726,-; Nutzungsausmaß: 60 : 80 (wie nach Schritt 1 berechnet); Sachbezug A: EUR 726,- : 140 m² x 60 m² = EUR 311,14; Sachbezug B: EUR 726,- : 140 m² x 80 m² = EUR 414,86.
  • Zuletzt ist der errechnete Wert um 25 % laut Sachbezugswerteverordnung zu reduzieren.

Auch für die Ermittlung, ob bei Überschreiten der 30 m² die Grenze von 40 m² überschritten ist, ist nach Schritt 1 vorzugehen. Liegt die dem Arbeitnehmer zurechenbare Fläche demnach zwischen 30 m² und 40 m², ist der Sachbezugswert nach Schritt 2 zu berechnen. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Arbeitsplatznähe, kein Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Wohnung, Befristung der Wohnraumüberlassung auf höchstens zwölf Monate) ist der so berechnete Sachbezugswert um 35 % zu vermindern.

Offen bleibt auch nach der VwGH-Entscheidung, wie bei der Sachbezugsberechnung dann vorzugehen ist, wenn zwar mehreren Dienstnehmern die Wohnung überlassen wird, aber nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd, etwa im Rahmen eines Schichtbetriebs; z.B. jeweils zwei Teilzeit-Arbeitnehmern mit Mittelpunkt der Lebensinteressen im Ausland, die in Schichten von zwei Wochen arbeiten, wird eine arbeitsplatznahe Wohnung vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Während der jeweiligen Schicht wird die Wohnung von den zwei Arbeitnehmern genutzt, zwischen den Schichten kehren die Arbeitnehmer heim; die Wohnung wird von zwei Arbeitnehmern der anderen Schicht genutzt.

In einer solchen Konstellation ist der anzusetzende Sachbezugswert entsprechend der zeitlichen Nutzungsmöglichkeit für den Dienstnehmer im Lohnzahlungszeitraum aliquot zu kürzen. Eine andere Lösung wäre nicht sachgerecht, da die Wohnung zwischen den Schichten für die jeweils nicht im Schichteinsatz befindlichen Arbeitnehmer nicht nutzbar ist. Dies hat jedenfalls dann zu geschehen, wenn die Dienstnehmer nach Beendigung ihrer Schicht jeweils die Schlüssel hinterlegen müssen und somit die Wohnung gar nicht betreten können.

Beispiel 2

Angaben wie Beispiel 1:

  • Dienstnehmer A (Schicht 1) und Dienstnehmer C (Schicht 2): 20 m²;
  • Dienstnehmer B (Schicht 1) und Dienstnehmer D (Schicht 2): 40 m²;
  • gemeinschaftlich genutzte Räume: 40 m²;
  • Nutzung der Wohnung: Schicht 1 und Schicht 2 abwechselnd jeweils genau für die Hälfte des Monats.

Lösung:

  • Schritt 1: Befreiung kommt wieder bei keinem der Dienstnehmer zur Anwendung, da Flächenausmaß jeweils über 30 m² (A bzw. C: 20 m² + 40 m² = 60 m²; B bzw. D: 40 m² + 40 m² = 80 m²).
  • Schritt 2: Sachbezug A bzw. C: EUR 311,14 (Berechnung siehe Beispiel 1) x 50 % = EUR 155,57; Sachbezug B bzw. D: EUR 414,86 (Berechnung siehe Beispiel 1) x 50 % = EUR 207,43.
  • Zuletzt ist der errechnete Wert um 25 % laut Sachbezugswerteverordnung zu reduzieren (Sachbezug A bzw. C: EUR 116,68; Sachbezug B bzw. D: EUR 155,57).

 

Quelle bzw. weiterführende Infos finden Sie unter:

Linde Verlag, PV-Info, Heft Nr. 7-8/2022 vom 11.07.2022

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Vwgh&Dokumentnummer=JWT_2017080039_20211214L00

 

Obige Ausführungen stellen allgemeine Informationen zum Thema des jeweiligen Newsletters dar (Ausführungen ohne Gewähr) und können deshalb ein persönliches Beratungsgespräch keinesfalls ersetzen. Zögern Sie deswegen nicht uns bei Fragen oder Unklarheiten zu kontaktieren! Ihr Team der Steuerberatung Illmer und Partner – Die kompetente Beratung in Landeck.

Stand: 15.07.2022

Artikel der Ausgabe Sommer 2022

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